CMT-Bericht 37/2018: Werkstoff- und verfahrenstechnische Optimierung kavitationserosionsbeständiger Beschichtungen an Schiffsrudern mittels Kaltgasspritzen (WoBeKa)

Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr Hamburg – Institut für Werkstofftechnik
Prof. Dr.-Ing. Thomas Klassen, Dr. rer. nat. Frank Gärtner, Dipl.-Wi.-Ing. Sebastian Krebs

Fraunhofer-Einrichtung Großstrukturen in der Produktionstechnik IGP, Rostock
Prof. Dr.-Ing. Wilko Flügge, Prof. Dr.-Ing. habil. Knuth-Michael Henkel, M.Sc. Michel Hauer

Das IGF-Vorhaben 18449 BG der Forschungsvereinigung Center of Maritime Technologies e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages gefördert.

Der Bericht kann beim FSM bestellt werden. Bitte senden Sie eine E-Mail an info(at)fsm-net.org

Zusammenfassung

Am Schiffsrumpf und insbesondere am Schiffsruder auftretende Kavitationserscheinungen setzen Wirkungsgrad, Sicherheit und Effizienz von schnell fahrenden Seeschiffen herab. Auftretende dynamische Druckschwankungen durch Ruderbewegungen bei Kursänderungen oder achterlicher See lassen sich auch unter der Optimierung hydrodynamischer Eigenschaften nicht verhindern. Lokale Druckschwankungen sind hinreichend groß, um Kavitation, d.h. die Bildung und Implosion von Dampfblasen auszulösen. Die zyklische Belastung führt langfristig zu Materialermüdung und lokalem Abtrag aus der Oberfläche. Neben dieser Kavitationserosion bewirken vorbeiströmende Sedimente zusätzlichen Abrieb, und eine auftretende Seewasserkorrosion führt zu weiterer Schädigung der Schiffsoberfläche. Das komplexe Verschleißsystem wird demnach durch Mechanismen der Oberflächenzerrüttung und tribochemischer Reaktionen charakterisiert.

Die Beseitigung der Folgen dieses tribologischen Systems im Ruder- und Achterschiffsbereich stellt einen erheblichen Kostenfaktor dar. In der Schiffsentwurfsphase werden moderne Simulationsverfahren eingesetzt und deren Ergebnisse in Modellversuchen im Kavitationstunnel und Schlepptank validiert. Die Bereiche der Kavitationsgefährdung können somit gut ermittelt werden. In der Praxis werden die Schiffe trotzdem alle 5-7 Jahre gedockt, um die aufgetretenen Schäden aufwendig durch Auftragsschweißen und Schleifarbeiten zu beseitigen. Bei großvolumigen Ruderanlagen im Schiffbau bzw. im Achterschiffsbereich wurde das thermische Spritzen bisher nicht eingesetzt. Die Zielsetzung des Projekts bestand daher in der Entwicklung eines Verfahrens zum vollständigen oder partiellen Beschichten durch Kaltgasspritzen oder thermisches Spritzen mittels beständigen Materialien auf Ruderanlagen- und umgebende Achterschiffsbereiche.

Aus den exzellenten Resultaten des Vorgängerprojekts BESOMA (IGF-Nr. 17135 BG) ergaben sich, angeregt durch den projektbegleitenden Ausschuss, vielversprechende Ideen. Zum einen sollten der Einsatz von duktileren Bronzen und eine optimale thermische Nachbehandlung der Schichten die Kavitationsbeständigkeit verbessern. Im Rahmen von WOBEKA konnte nun nachgewiesen werden, dass z.B. mit kaltgasgespritzten Mn-Bronzen Kavitationsbeständigkeiten ähnlich zu denen der massiven Propellerbronze eingestellt werden können, allerdings unter kostenintensiver Verwendung von Helium als Prozessgas. Die Verarbeitung weicherer Bronzen resultiert zwar in Bezug auf entsprechendes Massivmaterial in sehr guten Schichteigenschaften. Jedoch sind entsprechende Werkstoffe a priori zu weich, um den geforderten Kavitationsschutz zu bieten. Im Gegensatz dazu erwies sich eine thermische Nachbehandlung der relativ harten NiAl-Bronzeschichten als adäquates Mittel, um Defekte der kaltgasgespritzten Schichten auszuheilen und massivmaterialähnliche Kavitationsbeständigkeiten einzustellen. Ein weiterer Schwerpunkt betraf den Einsatz weiterer Spritzverfahren als Alternativen zum Kaltgasspritzen wie das Hochgeschwindigkeits-Flammspritzen (HVOF), das hieraus abgeleitete und sogenannte Warm-Spritzen als auch das Lichtbogenspritzen. Mittels Warmspritzens konnten für NiAl-Bronzeschichten ähnliche Eigenschaften im Vergleich zum Massivmaterial eingestellt werden. Entsprechend der Expositionszeiten des teils oder ganz aufgeschmolzen Beschichtungsmaterials gegenüber atmosphärischem Sauerstoff werden die Qualitäten der durch HVOF-Spritzen oder Lichtbogenspritzen hergestellten Schichten durch eingebaute Oxide beeinträchtigt, dank Prozessoptimierung jedoch weniger stark als erwartet. Durch Lichtbogenspritzen oder HVOF-Spritzen aufgetragene NiAl-Bronzeschichten erreichen eine 13-30 bessere Kavitationsbeständigkeit als der bisherig verwendete Ruderwerkstoff Stahl GLA.

Ein Problem im Vorgängerprojekt BESOMA bestand darin, dass dickere Schichten in Folge der Eigenspannungen vom Substrat abplatzten – einige davon erst im Langzeitkavitationstest. Entsprechend wurde ein zusätzlicher Fokus in WOBEKA auf das komplexe Wechselspiel zwischen internen Spannungen und externen Lasten unter dem Kavitationsangriff sowie der Auswirkungen auf die Adhäsion gelegt. Dabei wurde nachgewiesen, dass für das Lichtbogenspritzen Eigenspannungen die Kavitationserosionsbeständigkeit deutlich beeinträchtigen können. Diese Eigenspannungen konnten jedoch beispielweise durch den Einsatz alternativer Zerstäubergase oder die Anpassung der Roboterkinematik stark verringert werden.

Im Lauf des Projekts wurden umfangreiche Kenntnisse zu verschiedensten Spritzverfahren und deren bestimmenden Einflussfaktoren bezüglich der Schichteigenschaften gewonnen. Hierdurch ist es nun möglich, Spritzschichten herzustellen, welche in Bezug auf die Kavitationserosionsbeständigkeit ähnliche Qualitäten wie entsprechendes Massivmaterial erreichen. Alternativ erweist sich das Lichtbogenspritzten als Kompromiss aus soliden Schichteigenschaften und exzellenter Handhabbarkeit. Die Ergebnisse des Projekts sollen in ein DVS-Merkblatt überführt werden, um einen Transfer in die Praxis zu gewährleisten.