CMT-Bericht 35/2016: Rissfortschrittsuntersuchungen an Längssteifen zur Validierung der IBESS-Prozedur (IBESS)

Technische Universität Hamburg – Institut für Konstruktion und Festigkeit von Schiffen
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Fricke, Prof. DSc. (Tech.) Sören Ehlers, Dipl.-Ing. Didi Deflor Tchuindjang

Das IGF-Vorhaben 17519 N Center of Maritime Technologies e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages gefördert.

Der Bericht kann beim FSM bestellt werden. Bitte senden Sie eine E-Mail an info(at)fsm-net.org

Zusammenfassung

Im Forschungsclusterprojekt IBESS, welches aus acht Forschungspartnern bestand, wurde die IBESS-Prozedur zur Integralen Bruchmechanischen Ermittlung der Schwingfestigkeit von Schweißverbindungen (IBESS) entwickelt. Im vorliegenden Teilprojekt A4 an der TUHH wurden Arbeiten mit Blick auf die Validierung der IBESS-Prozedur an einer komplexen und bauteilähnlichen Geometrie der Längssteife durchführt.

Die untersuchten Längssteifen bestanden aus dem Werkstoff S355 NL. Zur Untersuchung des Einflusses der Nahtgeometrie auf die Schwingfestigkeit wurden zwei Nahtgeometrien mit unterschiedlichen Kerbwirkungen betrachtet. Die Schwingfestigkeitsversuche zeigen, dass die mehrlagige Nahtgeometrie mit der geringeren Kerbwirkungszahl von etwa drei nach Radaj im Vergleich zu den Proben mit der höheren Kerbwirkungszahl von vier eine höhere Schwingfestigkeit aufweisen, was vorwiegend auf die Anrisslebensdauer zurück zu führen ist.

Der Einfluss der Mittelspannung wurde experimentell durch die Variation des Grenzspannungsverhältnis (R=0 und R=0,5) ermittelt. Des Weiteren wurde der Einfluss der schweißinduzierten Eigenspannungen auf die Schwingfestigkeit durch Spannungsarmglühen von drei der 6Versuchsserien ermittelt. Die Schwingfestigkeitsergebnisse zeigen nur einen sehr geringen Einfluss des R-Verhältnis und der Eigenspannungen auf die Schwingfestigkeit der Längssteifen.

Die mit der Finite-Elemente-Methode (FEM) bestimmten Spannungsprofile an den betrachteten Nahtübergängen der Längssteife ohne Riss unter Berücksichtigung der Nahtgeometrie wurden zur analytischen Ermittlung der Spannungsintensitätsfaktoren während des Risswachstums verwendet. Hierfür wurden verschiedenen Gewichtsfunktionslösungen aus der Literatur verwendet. Ein Vergleich zwischen der analytischen und der mit FEM berechneten Spannungsintensitätsfaktoren zeigt eine gute Übereinstimmung für sehr kleine Rissabmessungen. Die Abweichung bei großen Rissen war auf die Annahme eines konstanten Spannungsverlaufs entlang des Nahtübergangs der Schweißnaht bei den Gewichtsfunktionslösungen zurückzuführen. Die Spannungsverläufe entlang des Nahtübergangs der Längssteife sind – bedingt durch die Probengeometrie – dagegen nicht konstant. Im Platteninneren wurde eine Spannungsüberhöhung um den Faktor 1,2 im Platteninneren ermittelt.

Die mit der FEM simulierten Eigenspannungsfelder zeigen eine starke Abweichung von den Messungen des ifs. Hauptgrund dafür sind Phasenumwandlungseffekte, die in dieser Arbeit nur durch eine vereinfachte Anpassung der Wärmeausdehnungskoeffizienten im Bereich der Martensitrückumwandlung berücksichtigt wurden. Durch eine gezielte Anpassung der thermischen Belastungen an die Messergebnisse konnte ein Eigenspannungsfeld simuliert werden, welches als Ausgang für die Untersuchung des Einflusses einer zyklischen Belastung auf den Eigenspannungszustand verwendet wurde. Hierbei wurden an den Nahtübergängen Zugeigenspannungen in Plattenlängsrichtung von etwa 100 MPa gemessen und 200 MPa berechnet. Eine zyklische Belastung der Längssteife führt zum Abbau bzw. zur Umlagerung der Eigenspannung, wobei die Höhe der Spannungsumlagerung von der Belastungshöhe abhängig ist, so dass für Rissfortschrittsuntersuchungen nicht von den Eigenspannungen im Schweißzustand ausgegangen werden kann.

Die Simulation des Rissschließens bei zyklischer Belastung der Längssteifen zeigt unter Berücksichtigung der Eigenspannungen eine geringe R-Abhängigkeit der Rissschließfunktion, wobei ohne Eigenspannungen die R-Abhängigkeit deutlicher zu sehen ist.

Der Einsatz der IBESS-Prozedur zur Ermittlung der Lebensdauer von Längssteifen lieferte im Vergleich zu den Versuchsergebnissen im Zeitfestigkeitsbereich um den Faktor drei bis sechs niedrigere Lebensdauern, während die Übereinstimmung im Dauerfestigkeitsbereich besser war. Daher sollte von dort mit dem üblichen Neigungsexponenten der Wöhlerlinie für Schweißverbindungen in den Zeitfestigkeitsbereich extrapoliert werden. Auch der mit den Versuchsergebnissen beobachtete Einfluss der Kerbwirkung wurde mit der IBESS-Prozedur zutreffend ermittelt.