CMT-Bericht 36/2017: Einbeziehung geklebter Fensterbänder und Glasfronten in die Festigkeit von Schiffen (Fensterband)

Technische Universität Hamburg – Institut für Konstruktion und Festigkeit von Schiffen
Prof. DSc. (Tech.) Sören Ehlers, Dr.-Ing. Bjarne Wiegard (geb. Gerlach)

Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung, Bremen
Prof. Dr. Bernd Mayer, Dr.-Ing. Oliver Klapp, Dr.-Ing. Bernhard Schneider

Das IGF-Vorhaben 18465 N des Center of Maritime Technologies e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages gefördert.

Der Bericht kann beim FSM bestellt werden. Bitte senden Sie eine E-Mail an info(at)fsm-net.org

Zusammenfassung

Große Fenster, Fensterbänder und Glasfronten sind für das Design von Passagierschiffen und Me-gayachten bedeutend. Die Auslegung der Fensterscheiben erfolgt entsprechend dem lateralen Entwurfsdruck. In den Festigkeitsberechnungen zur Schiffsstruktur werden die zumeist eingeklebten Glasscheiben aber in der Regel außer Acht gelassen. Es wird angenommen, dass dieses Vorgehen zu konservativen Ergebnissen führt. Die Klebverbindung wird häufig in Abhängigkeit der Fensterabmessungen festgelegt.

In diesem Vorhaben wurde auf Basis von umfassenden experimentellen und numerischen Untersuchungen eine Prozedur für die Einbeziehung der geklebten Fensterscheiben in die Berechnung der Strukturfestigkeit erarbeitet. Dazu wurden auslegungsrelevante Kennwerte für Klebstoffe und Klebverbindungen, die das Verhalten unter quasi-statischer und schwingender Belastung bei betriebsrelevanten Temperaturen und medialen Umgebungsbedingungen beschreiben, umfassend ermittelt. Diese Kennwerte wurden zusätzlich zur Veröffentlichung in diesem Bericht in einer Datenbank archiviert und stehen zukünftigen Anwendungen zur Verfügung. Außerdem wurden Methoden erarbeitet, wie die geklebten Fenster in FE-Globalmodelle von Schiffen integriert werden können und wie die Spannungen in der Schiffsstruktur und in der Klebverbindung analysiert werden können. Dieses ist eine komplexe Aufgabe, da die FE-Globalmodelle in der Regel grob vernetzt werden, das heißt die Elementkantenlängen betragen nicht selten einen Meter oder mehr. Andererseits haben die Klebeverbindungen an sich kleine Abmessungen und es ist zudem eine feine Vernetzung mit Volumenelementen erforderlich, um die Steifigkeit der Verbindung korrekt abzubilden. Dieses Problem kann entweder durch eine vereinfachte Modellierung der Fenster oder durch Anwendung der Substruktur-Technik gelöst werden. Beide Methoden haben gemeinsam, dass ein detailliertes FE-Modell der Fensterkonstruktion samt umgebener Schiffsstruktur erstellt werden muss. Damit wird dann entweder das vereinfachte Modell oder die Substruktur generiert. Nach der Berechnung der relevanten Entwurfslastfälle mit dem Globalmodell, erfolgt dann in beiden Fällen die Analyse der Belastungen wieder mit dem detaillierten FE-Modell. Die Bewertung der Analyseergebnisse erfolgt im Falle der Schiffsstruktur anhand der Regelwerke der Klassifikationsgesellschaften. Für die Bewertung der Klebstoffbeanspruchung wurden zulässige Werte aus den Versuchen mit den Klebstoffen abgeleitet.

Zudem wurde das Zusammenwirken der Fensterscheiben mit der Schiffstruktur numerisch an Bei-spielschiffen und experimentell an Versuchsmodellen im Originalmaßstab und mit bauteilähnlichen Laborproben, die eine Scheibenklebung bestehend aus Klebschicht und Sichtfuge repräsentieren, untersucht. Es hat sich gezeigt, dass die eingeklebten Fensterscheiben insbesondere die Schubsteifigkeit lokal erhöhen und es dadurch zu einer Abnahme der Scherung der betreffenden Wände kommt. Die Zunahme der Schubsteifigkeit ist gleichermaßen auf die Wirkung der Klebschicht und auf die Stützwirkung der Sichtfuge zurückzuführen. Dadurch kann es zu einer Reduktion der Spannungen in der Metallstruktur beim Übergang von z.B. Fensterbändern zu schubsteiferen Strukturbereichen, das heißt zu einer Schiffsstruktur ohne Öffnungen, kommen. An den schlanken Stützen innerhalb eines Fensterbandes werden die Spannungen jedoch häufig und zum Teil erheblich erhöht. Dieses ist eine wichtige Erkenntnis, da bisher von einer generell positiven Wirkung der eingeklebten Fensterscheiben ausgegangen wurde. Die Mechanismen, die die Spannungszunahme hervorrufen, werden in diesem Bericht erläutert. Des Weiteren werden Empfehlungen gegeben, durch welche Maßnahmen diese Spannungen reduziert werden können. In diesem Zusammenhang ist das dritte Versuchsmodell hervorzuheben, dessen innovative Konstruktion zu einer Steigerung der Betriebsfestigkeit der Metallstruktur führen kann.

Neben den elastischen Schubversuchen, die zur Ermittlung des Zusammenwirkens von Schiffstruktur und Fensterscheiben und gleichzeitig zur Validierung der FE-Modelle durchgeführt wurden, wurden in Traglastversuchen die Tragfähigkeit bei Schubbelastung und die jeweiligen Versagensmechanismen der Konstruktionen ermittelt.