Technische Universität Berlin – Institut für Land- und Seeverkehr Fachgebiet Entwurf und Betrieb Maritimer Systeme
Prof. Dr.-Ing. Gerd Holbach, Dipl.-Ing. Christopher Stanik
IPRI – International Performance Research Institute gGmbH
Univ.-Prof. Dr. Mischa Seiter, Marc Rusch MSc, Anika Rehder BSc
Das IGF-Vorhaben 394 ZN des Center of Maritime Technologies e.V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages gefördert.
Der Bericht kann beim FSM bestellt werden. Bitte senden Sie eine E-Mail an info(at)fsm-net.org
Zusammenfassung
Das Forschungsprojekt „Offshore-Solutions“ hat die Dienstleistungspotenziale für Werften, Reedereien und maritime Zulieferer während der Betriebsphase von Offshore-Windenergieanlagen untersucht. Ausgangspunkt war, dass insbesondere Werften, Reedereien und maritime Zulieferer durch ihr hohes Maß an maritimen Spezialwissen dazu prädestiniert sind, Dienstleistungen während des Betriebs von Offshore-Windparks durchzuführen. Die erzielten Ergebnisse haben insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) einen großen Nutzen, da sie durch die Identifikation neuer Dienstleistungspotenziale gezielt zusätzliche Marktpotenziale erschließen und sich von Wettbewerbern differenzieren können. Insgesamt wurden drei übergeordnete Ergebnisse erarbeitet: der Dienstleistungskatalog, das strategische Steuerungsmodell und das begleitende Implementierungskonzept.
Der Dienstleistungskatalog bietet eine detaillierte Übersicht aller potenziellen Dienstleistungen während der Betriebsphase von Offshore-Windenergieanlagen. Er dient den maritimen Unternehmen als Grundlage, um zu identifizieren, welche Dienstleistungen sie prinzipiell am Markt anbieten können. Dafür wurden alle Prozesse der Betriebsphase analysiert und Dienstleistungsbedarfe gruppiert sowie systematisiert. Insgesamt wurden acht Dienstleistungen und einundzwanzig dazugehörige Leistungsbereiche definiert. Desweiteren wurden die spezifischen Anforderungen je Dienstleistung identifiziert, welche von den Anbietern bei der Durchführung einer Dienstleistung erfüllt werden müssen. Die Anforderungen geben die angestrebten Soll-Zustände für Werften, Reedereien und maritime Zulieferer vor.
Im Rahmen einer Kompetenzanalyse innerhalb der maritimen Industrie wurden die identifizierten Dienstleistungs-Anforderungen mit den Stärken und Schwächen der jeweiligen Unternehmen verglichen. Hierdurch konnte ermittelt werden, welche Unternehmen für die Durchführung bestimmter Dienstleistungen besonders gut geeignet sind und wo Verbesserungspotenziale vorhanden sind. Es wurde eine Methodik entwickelt, um maritime Unternehmen entsprechend ihrer Kompetenzen zu klassifizieren. Die Klassifizierungsstufen reichen von „Markteinsteiger“ bis hin zu „Gesamt-Lösungsanbieter“. Hieraus konnten konkrete Dienstleistungsportfolios für die unterschiedlichen Unternehmensklassen erstellt werden.
Zusätzlich wurden die Chancen und Risiken analysiert, welche maritime Unternehmen hinsichtlich des Angebots der Dienstleistungen berücksichtigen sollten. Eine weiterführende Analyse der spezifischen Merkmale im Windparkbetrieb (wie Instandhaltungskonzepte, tägliche Personal- und Materialbedarfe, Wind- und Seegangsdaten) sowie der Betriebsprozesse, ermöglichte die Entwicklung und Modellierung von windparkspezifischen Service- und Versorgungskonzepten. Dadurch konnten exakte Aussagen zu potenziellen Mengengerüsten an maritimen Transportmitteln für den Betrieb der geplanten deutschen Offshore-Windparks hergeleitet werden. Ausgehend von diesen Mengengerüsten und basierend auf einer großen Erhebung innerhalb der maritimen Industrie konnten schließlich konkrete, monetäre Marktvolumina für jede Dienstleistung bzw. jeden Leistungsbereich prognostiziert werden. Hierdurch können Unternehmen im Vorfeld analysieren, welche Dienstleistungen das größte Marktpotenzial bieten.
Das strategische Steuerungsmodell unterstützt Unternehmen bei der tatsächlichen Durchführung der im Dienstleistungskatalog definierten Leistungen, indem es die Messung und Steuerung des Erfolgs der Dienstleistungen ermöglicht. Hierfür wurden strategische Unternehmensziele für das Angebot der Dienstleistungen abgeleitet und nach ihrer Relevanz bewertet. Zudem wurden entscheidende, operative Ziele je Dienstleistung erarbeitet. Bezogen auf den maritimen Dienstleistungsmarkt können grundsätzlich drei Anbieterstufen unterschieden werden: „traditioneller Anbieter“, „Teil-Lösungsanbieter“ und „Gesamt-Lösungsanbieter“. Je nach Anbieterstufe empfiehlt sich die Berücksichtigung strategischer und operativer Ziele mit hohen Bewertungen.
Um den Erreichungsgrad der gesetzten Ziele und somit den Erfolg der Dienstleistungen messen zu können, wurde ein Kennzahlensystem erstellt. Es ermöglicht den Unternehmen den Abgleich der geplanten Soll-Werte mit aktuellen Ist-Werten anhand wesentlicher Messgrößen. Eine Festlegung konkreter Zielwerte ex ante kann aufgrund des gegenwärtig noch geringen Ausbaus der deutschen Offshore-Windenergie lediglich als exemplarische Prognose angesehen werden und bietet ex post weiteren Forschungsbedarf, sofern der Ausbau weiter erfolgt. Je Messgröße wurden zudem Handlungsoptionen definiert, die den Unternehmen Alternativen aufzeigen, sobald das Erreichen der strategischen und operativen Ziele gefährdet ist. Das strategische Steuerungsmodell kann damit für die Planung und Überwachung des Dienstleistungsgeschäfts in maritimen Unternehmen genutzt werden.
Das begleitende Implementierungskonzept ermöglicht eine aufwandsarme Umsetzung aller Forschungsergebnisse im Unternehmen. Hierzu wurde zunächst ein Führungsprozess für die unternehmensbezogene Weiterentwicklung zum Gesamt-Lösungsanbieter entwickelt. Für diesen Zweck konnten verschiedene Implementierungskonzepte erarbeitet werden. Sie zeigen, welche Dienstleistungen bzw. Leistungsbereiche unter bestimmten Aspekten miteinander kombiniert werden können. Gleichzeitig werden wahrscheinliche Anbieterkonstellationen benannt, um diese Dienstleistungsbündel gewinnbringend am Markt zu platzieren. Der Führungsprozess zeigt vor allem auf, in welche Richtungen sich maritime Unternehmen durch das Angebot industrieller Dienstleistungen für Offshore-Windenergieanlagen weiterentwickeln können.
Anschließend unterstützt ein Vertriebskonzept die maritimen Unternehmen dabei, die zusätzlichen Dienstleistungen effizient am Markt zu positionieren und gleichzeitig in der Unternehmensphilosophie zu verankern. Der hier aufgezeigte „Lösungsvertrieb“ fokussiert die wichtigsten Faktoren, welche in die Planung des Vertriebs von maritimen Dienstleistungen für die Betriebsphase von Offshore-Windenergieanlagen mit einzubeziehen sind.
Abschließend wurden die wichtigsten Ergebnisse des Forschungsprojekts in einem Software–Demonstrator aufgearbeitet. Der Demonstrator basiert auf MS Excel/Visual Basic for Appilications und ermöglicht den Unternehmen eine übersichtliche Nutzung der Forschungsergebnisse. Er besteht aus den sieben Komponenten: Dienstleistungskatalog, Marktpotenziale und Mengengerüst, Versorgungskonzepte, Chancen und Risiken, Kompetenzbewertung, Strategisches Steuerungsmodell und Implementierungskonzepte. Anwender können den Demonstrator individuell an ihr Unternehmen anpassen sowie Ausbauszenarien eigenständig definieren. Somit wurde mit dem Demonstrator ein Instrument entwickelt, was auch über die Projektlaufzeit hinaus und damit auch im weiteren Verlauf der Energiewende genutzt werden kann.
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Offshore-Solutions“ unterstützen also Unternehmen der maritimen Industrie dabei, neue Dienstleistungspotentiale in der Offshore-Windenergiebranche zu erkennen, zu planen und zu steuern. Wesentliche Erfolgsfaktoren zur Umsetzung der Erkenntnisse konnten speziell für Werften, Reedereien und maritime Zulieferer aufgezeigt werden. Darüber hinaus wurden Konzepte entwickelt, wie diese Unternehmen ihr Spezialwissen in Richtung Offshore-Windenergie ausdehnen können. Insbesondere KMU können die Ergebnisse des Forschungsprojekts nutzen, um sich von traditionellen Anbietern zu Gesamt-Lösungsanbietern weiterzuentwickeln. Der Software-Demonstrator dient dabei in allen Phasen als Grundlage zur Entscheidungsfindung.