FSM-Bericht 3/2022: Qualifizierung eines vereinfachten Ersatzmodells zur Prozesssteuerung beim Walzrunden großer Blechdicken für hohe Umformgrade (Umformoptimierung)

M.Sc. Lukas Kappis, M.Sc. Pascal Froitzheim, Prof. Dr.-Ing. Wilko Flügge
Fraunhofer Einrichtung für Großstrukturen in der Produktionstechnik IGP, Rostock

Das IGF-Vorhaben 20444 BR der Forschungsvereinigung Schiffbau und Meerestechnik e.V. (FSM), ehemals Center of Maritime Technologies e.V. (CMT), wurde über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Der Bericht kann beim FSM bestellt werden. Bitte senden Sie eine E-Mail an info(at)fsm-net.org

Zusammenfassung

Mit dem Walzrunden werden Bleche über ihre Länge rundgeformt. Das Verfahren umfasst insbesondere im Grobblechbereich mit Blechdicken von 3 bis über 200 mm ein großes Anwendungsspektrum. Hier wird es beispielsweise für die Herstellung von Rohrtürmen für Windenergieanlagen, Druckbehältern und Elementen für die Bauindustrie eingesetzt.
Für die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens ist von großer Bedeutung, dass es effizient gesteuert werden kann. Eine Übersteuerung der Maschine führt zu einem Überbiegen des Blechs und damit häufig zu Materialausschuss, wohingegen zu geringes Biegen zusätzliche Walzdurchläufe erforderlich macht und mit einer Erhöhung der Produktionszeit einhergeht. Trotz der großen Bedeutung einer effizienten Prozesssteuerung wird das Verfahren zum derzeitigen Stand der Technik bei KMU, welche Bauteile im Grobblechbereich herstellen, überwiegend manuell gesteuert. Diese Methodik hat sich etabliert, da die von den KMU eingesetzten Rundbiegemaschinen über keine objektiven Prognose-Systeme verfügen, die den Anlagenbediener bei der Einstellung der Maschine unterstützen können. Sie führt jedoch dazu, dass die Wirtschaftlichkeit und Maßhaltigkeit des Verfahrens stark von der Erfahrung des Anlagenbedieners abhängen. Da insbesondere im Grobblechbereich materialaufwändige Bleche mit kleinen Losgrößen verarbeitet werden, hat ein Ausschuss durch Überbiegen hohe Kosten zur Folge. Aus diesem Grund wird die Rundbiegemaschine sehr konservativ gesteuert, was hohe Produktionszeiten und einen hohen psychischen Stress für den Anlagenbediener mit sich bringt. Aus diesen Gründen besteht die Forderung nach technischen Lösungen zur Objektivierung des Walzrundens durch eine rechnergestützte Prozessführung. Dabei sollen diese Lösungen kostengünstig und mit geringem Aufwand bei bestehenden Rundbiegemaschinen nachgerüstet werden können.
Hier setzt die vorliegende Forschungsarbeit an. Das Ziel der Arbeit war die Entwicklung und Qualifizierung eines Prognosemodells, mit dem ein Anlagenbediener bei der Steuerung des Umformprozesses unterstützt werden kann. Hierzu soll das Modell prognostizieren können, welches Umformergebnis aus einer gewählten Maschineneinstellung resultiert. Als Lösungsansatz wurde dafür ein empirisches Modell gewählt, das auf einem künstlichen neuronalen Netz (KNN) basiert. Dabei wird das KNN auf Prozessdaten trainiert, die mithilfe einer Prozessüberwachung aufgezeichnet werden. Somit kann die Umformprognose durch maschinelles Lernen stetig verbessert werden.
Im Rahmen der Entwicklungsarbeit wurde der Umformprozess zunächst eingehend analysiert. Hierzu wurden die mechanischen Eigenschaften von praxisrelevanten Blechen charakterisiert und darauf aufbauend ein detailliertes FE-Modell zum Walzrunden aufgebaut. Das FE-Modell wurde verwendet, um eine Sensitivitätsanalyse zum Umformergebnis beim Walzrunden durchzuführen und bedeutende und vernachlässigbaren Einflussgrößen zu identifizieren. Basierend auf den ermittelten Erkenntnissen wurden Konzepte für das Prognosemodell und die Prozessüberwachung entwickelt und umgesetzt. Deren Funktionstauglichkeit wurde zunächst theoretisch anhand von Simulationsdaten nachgewiesen und im Anschluss daran auch experimentell anhand von Praxisversuchen an einer realen 4-Walzen-Rundbiegemaschine erprobt. Es konnte gezeigt werden, dass die entwickelten Ansätze eine vielversprechende Lösung zur Nachrüstung von Rundbiegemaschinen im Sinne einer Objektivierung des Umformprozesses darstellen.
Das Ziel des Forschungsvorhabens wurde erreicht.

Summary

With roll bending, plates are formed round over their length. The process has a wide range of applications, particularly in the heavy plate sector with plate thicknesses from 3 to over 200 mm. Here it is used, for example, for the production of tubular towers for wind turbines, pressure vessels and elements for the construction industry.
For the economic efficiency of the process, it is of great importance that it can be controlled efficiently. Overcontrol of the machine leads to overbending of the plate and thus often to material scrap, whereas underbending necessitates additional rolling passes and is associated with an increase in production time. Despite the great importance of efficient process control, SMEs producing components in the heavy plate range mainly control the process manually at the current state of the art. This methodology has established because the used roll bending machines do not have objective forecasting systems that can assist the machine operator in setting the machine. As a result, the economic efficiency and accuracy of the process are heavily dependent on the experience of the machine operator. Since, especially in the heavy plate sector, material-intensive plates with small batch sizes are processed, scrap caused by overbending results in high costs. For this reason, the roll bending machine is controlled very conservatively, which results in long production times and high psychological stress for the machine operator. For these reasons, there is a demand for technical solutions to objectify roll bending by means of computer-aided process control. These solutions are intended to be upgradeable to existing roll bending machines at low cost and with little effort.
This is where the present research work comes in. The aim of the work was the development and qualification of a prognosis model, with which a machine operator can be supported in the control of the forming process. For this purpose, the model should be able to predict which forming result will result from a selected machine setting. An empirical model based on an artificial neural network (ANN) was selected as the solution approach. The KNN is trained on process data that is recorded with the help of a process monitoring system. Thus, the forming prediction can be continuously improved by machine learning.
As a first step in the development work, the forming process was analyzed in detail. For this purpose, the mechanical properties of practically relevant plates were characterized and, based on this, a detailed FE model for roll bending was developed. The FE model was used to perform a sensitivity analysis on the forming result of roll bending and to identify significant and negligible influencing variables. Based on the findings, concepts for the prediction model and process monitoring system were developed and implemented. Their functional suitability was first demonstrated theoretically on the basis of simulation data and then also tested experimentally on the basis of practical trials on a real 4-roller plate bending machine. It was shown that the developed approaches represent a promising solution for upgrading roll bending machines in the sense of objectifying the forming process.
The aim of this research project was achieved.